Zusammenarbeit mit Eltern

2. Mai 2013

 

 

Eltern, die für ihre Kinder homöopathische Begleitung suchen, bringen meistens optimale Voraussetzungen für eine Erfolg versprechende Zusammenarbeit mit. Sie sind aufmerksame Beobachter unseres Umgangs mit Gesundheit und Krankheit, und sie sind offen für Methoden, deren Wirkungsweise sich unserer Beweisführung noch immer entzieht.

 

 

Außerdem gehen die meisten Erwachsenen mit ihren Kindern verantwortungsvoller um als mit sich selbst; das trifft Natur gemäß umso deutlicher zu je kleiner die Kinder sind.

 

In der allerersten Lebensphase ist es nicht so schwer, die Einheit aus Körper, Geist und Seele zu erkennen; Reaktionen und Verhalten werden unbefangen beobachtet und noch nicht von herbei geredeten Zusammenhängen überlagert. Kein Mensch kommt auf die Idee, das Verhalten oder die Verfassung eines Säuglings nach gesellschaftlichen Maßstäben zu bewerten. Dennoch werden wir durch Wachstumskurven und Entwicklungsrichtlinien von Anfang an dazu angehalten, unsere Kinder zu vergleichen.

 

 

Mit der Geburt ihres Kindes werden Eltern unumkehrbar auf die Gratwanderung zwischen berechtigter Sorge und sinnloser Verunsicherung geschickt, zumindest dann, wenn ihr Kind nicht in allen Bereichen der Norm entspricht oder gar von Anfang an gesundheitliche Probleme mitbringt, wie etwa Neurodermitis, Blähkoliken, häufige Infekte oder Pseudokrupp. Die Belastung, die sich daraus für junge Eltern ergibt, wird häufig unterschätzt.

 

Es ist nicht allein die Versorgungsarbeit, die anstrengt, sondern die ständige Auseinandersetzung mit einem Problembewusstsein, das frühere Generationen noch gar nicht hatten und vielleicht auch seltener brauchten.

 

Wir haben heute Zugriff auf eine unüberschaubare Flut von Informationen, gerade auch im Bereich Krankheit und Gesundheit. Das digitale Netz quillt über vor Erfahrungsberichten und Expertenmeinungen. Neben der Zeit, die damit verbracht wird, sich "schlau zu machen", ist auch noch eine erschöpfende geistige Sisyphusarbeit aus Abwägen, Grübeln und Entscheiden zu leisten. Was trifft auf mein Kind zu, was könnte ihm helfen?

 

Es geht mir hier nicht darum, mit Größentabellen und regelmäßigen Untersuchungen zu hadern, denn sie dienen der Diagnostik und ermöglichen frühzeitiges Eingreifen. Aber das ständige Beobachten und vor allem das Bewusstsein, dass Gesundheit kein selbstverständliches Gut ist, bedeutet für die ganze Familie emotionalen Stress, der zu mindest teilweise aufgrund von abstrakt aufgenommenen Informationen entsteht und nicht ohne weiteres wieder abzubauen ist. (siehe dazu: "Sinneswahrnehmung und Empfindung")

 

 

In der ersten Lebensphase läuft die Begleitung von Kindern meistens ganz gut. Die Reaktion ist noch unverfälscht, und motivierte Eltern lernen schnell, sich auf die Intuition ihres Kindes zu verlassen.

 

Oft dauert es nicht lange, bis ich das Gefühl habe, die Mutter oder der Vater hätten homöopathische Unterstützung nötiger als ihr Kind. Aber die Umstände sprechen sehr oft dagegen. Diese Gläschen, dieses komplizierte Verfahren... das passt nicht in den Berufsalltag, provoziert blöde Bemerkungen, und vor allem ist es für Erwachsene oft unmöglich, ihre Aufmerksamkeit ihrer eigenen Befindlichkeit zu widmen, ohne sich dabei vorzukommen wie rücksichtslose Egozentriker.

 

Wie lange kann man das durchhalten, wenn ein Kind nicht ganz gesund ist und immer wieder besondere Beachtung braucht?

 

 

Spätestens mit dem Eintritt in den Kindergarten treten neue Probleme auf, die Eltern zusätzlich unter Druck setzen. Andere Kinder haben die und die Schwierigkeit nicht, rasten nicht aus, schlafen durch, sind nicht immerzu krank, essen immer schön alles auf, stolpern nicht dauernd, können schon ein "Z" sprechen, ihre Schuhe binden usw.

 

Unmerklich verschiebt sich jetzt der Blick auf das eigene Kind, und mehrfach habe ich beobachtet, dass sich in dieser Phase die Basis für die Zusammenarbeit verändert.

 

 

Vergleichendes Denken ist uns längst in Fleisch und Blut übergegangen, und nach und nach stellt sich unter dem Einfluss der Gruppe das automatische Bewerten ein, ganz von allein. Irgendwann wollen übermüdete Eltern vielleicht nur noch, dass ihr Kind mithalten kann, dass es dazugehört, dass es akzeptiert und geachtet wird. Um das zu erreichen, übernehmen sie ganz allmählich von anderen gemachte Maßstäbe für ihre individuelle Erziehung.

 

 

Die homöopathische Begleitung, die dazu gedacht ist, Menschen in die Lage zu versetzen, sich selbst zu helfen und sich wieder auf sich selbst zu verlassen, ist für heranwachsende Kinder noch immer ein Instrument, das sie nicht unabhängig nutzen können. Sie sind noch eine ganze Weile auf die Mithilfe der Erwachsenen angewiesen, und diese bleiben noch lange die ersten Ansprechpartner für die beratende Person.

 

Unter dem Einfluss von Vergleich und Bewertung wandelt sich die Kommunikation mit den Eltern, ich höre ein anderes Vokabular. Auf meine Frage nach dem Befinden des Kindes erhalte ich nicht selten Antworten wie: "Er macht immer gut mit...", "Bei den Hausaufgaben konnte sie sich heute gut konzentrieren...", "In letzter Zeit war er ganz kooperativ...", "Sie ist gut bei der Sache..." usw.

 

Sind das brauchbare Aussagen über das Wohlbefinden eines Kindes? Ist es wirklich entspannter? Hat es Lebensfreude, fühlt es sich wohl in seiner Situation - oder funktioniert es so, wie es von ihm erwartet wird? Und wenn ja, welchen Preis zahlt es dafür?

 

Schon in frühem Schulalter kann kindliches Selbstvertrauen umgelenkt werden in ein konditioniertes Ich-Gefühl, dass den eigenen Wert untrennbar mit der Bewertung durch andere verbindet. Leistungen, die Kinder mit Stolz erfüllen, die ihr natürliches Selbstwertgefühl stärken, werden manchmal von Erwachsenen gar nicht wahrgenommen oder sogar bewusst ignoriert, weil sie nicht in das Raster gesellschaftlicher Anforderungen passen.

 

Stattdessen laufen Eltern und Verwandte Gefahr, sich für die Beurteilung des eigenen Kindes an Schulnoten und Entwicklungsberichten zu orientieren. Nicht selten wird mit Geld belohnt, was sich dort positiv niederschlägt. Kinder lernen so schon früh, dass der Wert eines Menschen – und also auch ihr eigener - nach materiellen Maßstäben bemessen werden kann.

 

Noch schlimmer ist Enttäuschung oder gar Trauer der Erwachsenen über ein schlechtes Ergebnis, die dem Kind ungefiltert oder gar absichtlich mitgeteilt wird. Es wird mit Schuldgefühlen reagieren. Es erkennt sein "Vergehen" nicht und muss glauben, der Grund für die elterliche Verzweiflung läge in seiner Person an sich.

 

 

Die wenigsten jungen Eltern beginnen das Leben als Familie mit dieser Einstellung, aber auch sie machen eine Entwicklung durch, denn für das soziale Wesen Mensch ist es schwer, dem Sog des Gruppenzwanges zu widerstehen.

 

Es hängt entscheidend von ihrer inneren Situation ab, von ihrem Verhältnis zu ihrer eigenen Wertigkeit, von ihren Ängsten und Zwängen, mit welcher Haltung sie den Weg ihres Kindes durch das Wirrwahr von Schule, Freizeit, Sport, musischer Förderung, Berufswahl usw. begleiten.

 

 

Für die Behandlung kann das bedeuten, dass die Tröpfchen für ein bestimmtes Ziel instrumentalisiert werden. Der Blick auf die Gemütsverfassung des Kindes, der so wichtig für die Beurteilung der Arzneiwirkung ist, verändert sich und wird mit den eigenen Erwartungen abgeglichen. Die Mittel werden mit ins Getränk gegeben, die intuitive Auswahl des Kindes funktioniert nicht mehr, wenn es allzu sehr daran gewöhnt ist zu tun, was man von ihm erwartet. Als Berater/in hat man in dieser Situation manchmal kein klares Bild mehr von der tatsächlichen Entwicklung.

 

Ich kann nur immer wieder darauf hinweisen, dass wir das Ausmaß der Beeinflussung des gesamten organischen Systems durch potenzierte Arzneien keinesfalls überschauen können. Es ist deshalb immer ratsam, sich über den Gang der Dinge von Zeit zu Zeit möglichst offen mit Außenstehenden auszutauschen. Menschen mit größerem Abstand haben oft ein umfassenderes Bild von der Situation.

 

 

Gesellschaftliche Anforderungen und innere Bedürfnisse müssten sich dabei gar nicht ausschließen. Eltern und Kinder werden hier oft zu Opfern eines künstlich erzeugten Widerspruches, den es in Wahrheit gar nicht gibt. Es ist nicht nur psychologisch fragwürdig, sondern schlicht falsch, die unversehrte Kinderseele und die Vorbereitung auf einen erfolgreichen Lebensweg gegen einander auszuspielen.

 

Zu oft hat sich die Binsenwahrheit bestätigt, dass ein fest verankertes Selbstwertgefühl die wichtigste Voraussetzung ist, um im Leben zu bestehen. Es gibt keine bessere Vorbeugung gegen Versagensängste, Burn-out-Syndrom und zahllose Krankheiten, die auf dem Boden einer aus dem Lot geratenen Seele wachsen.

 

Menschen, die sich die Zeit und die Ruhe nehmen können, den Weg zu finden, der zu ihren Fähigkeiten passt, haben ein geringeres Risiko, zwischen den Mühlsteinen moderner Strukturen zermahlen zu werden.

 

Der entscheidende Unterschied ergibt sich aus dem Zeitfenster, in dem man Entwicklungen betrachtet. Kein Mensch interessiert sich in zehn Jahren noch für den Mathetest, der heute in den Sand gesetzt worden ist. Niemand weiß, was sich bis dahin verändern wird, worauf es dann ankommt, ob das, was wir heute für eine sichere Zukunft halten, dann für junge Menschen wirklich Sicherheit bedeutet und auch vermitteln kann.

 

 

Die homöopathische Begleitung ist nur ein Baustein auf dem Pflaster des Lebensweges, ein Stein, der helfen soll, einen festen Schritt zu finden, dessen Größe wir aber nicht genau kennen. Die Zusammenarbeit zwischen Eltern und der begleitenden Person sollte deshalb für alle Beteiligten lehr- und hilfreich sein.